Im November 2023 stimmte eine Mehrheit im EU-Parlament für das Recht auf Reparatur. Steffen Vangerow blickt positiv und skeptisch zugleich auf den Beschluss.

Keine Kreislaufwirtschaft ohne Reparatur

Rund 35 Millionen Tonnen Abfall fallen Berechnungen der EU-Kommission zu Folge jährlich an, weil Produkte weggeschmissen statt repariert werden. Das soll sich nun ändern, durch das im November in Strasbourg beschlossene Recht auf Reparatur. Der Beschluss beinhaltet einiges:

„Was in Strasbourg passiert ist, ist bahnbrechend. Da werden neue Dinge gefordert, die wir uns schon lange gewünscht haben. Eine faire Ersatzteilversorgung, Zugang zu Software, ein Verbot reparaturhinderlicher Praxen,“ sagt Steffen Vangerow, einer der Geschäftsführer des Unternehmens Vangerow GmbH.

 

Greentech LIVE Conference 2023 Vangerow Recht auf Reparatur
Greentech LIVE Conference 2023 Vangerow Recht auf Reparatur

Vangerow beschäftigt sich schon lange mit Themen der Kreislaufwirtschaft und Reparatur, ist Teil des Runden Tischs Reparatur und betreibt Lobbyarbeit aus Sicht von Verbrauchenden und Reparierenden. Der Beschluss bringe ihm nach viele Vorteile, und trotzdem ist er skeptisch.

Vangerow zeigt 10 Todsünden, die Recht auf Reparatur im Weg stehen

„Wir müssen die Nutzung in den Kreislauf einführen und Geräte so lange wie möglich nutzen. Wenn sie kaputt sind, kann man sie in den allermeisten Fällen reparieren und wieder nutzen.“ Dafür plädiert Vangerow immer wieder. Vieles hindere Reparatur aktuell noch.

Er spricht von den von ihm benannten „10 Todsünden der Reparatur,“ zu denen unter anderem zu günstige Neugeräte-Preise, missverständliche Öko-Labels, die Frage der Gewährleistung und fehlende Reparatur-Power gehören.

Greentech LIVE Conference 2023 Vangerow Recht auf Reparatur
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EU-Beschluss wirft Frage der Kontrolle auf

Beim neuen Beschluss sieht er bei einigen Aspekten daher Lücken.

Er äußert: „Der im Moment beschlossene Zwang zur Ersatzteilbevorratung ist eine gute Sache, aber was passiert, wenn nicht? Wenn es niemand prüft, bringt es nichts.“

Denn, die Hersteller hätten generell wenig Interesse an einer Änderung. Neuproduktion sei zu billig, Ersatzteile zu teuer und langlebigere Geräte weniger attraktiv.

„Langlebige Geräte, die weniger ersetzt werden müssen, sind ganz klar für die Industrie ein Wegbrechen ihrer Daseinsberechtigung. Demnach werden wir sie in Zukunft in dieser Größe nicht mehr brauchen und das finden die natürlich überhaupt nicht gut.“

Längere Gewährleistung schaffe falsche Sicherheit

Ebenso kritisch blickt Vangerow auf den im Beschluss enthaltenen Aspekt einer längeren Gewährleistung.

„Der Gedanke auf Kundenseite ist, dass bei längerer Gewährleistung der Hersteller dazu gezwungen ist, bessere Geräte zu bauen. Aber der Hersteller hat mit Gewährleistung gar nichts zu tun.“

Der Unternehmer aus Reutlingen fügt weiterhin hinzu: „2000 wurde die Gewährleistung von 12 auf 24 Monate verlängert. Die Lebensdauer von zum Beispiel Waschmaschinen hat sich seitdem aber von 15 auf 7 Jahre verringert.“

Gewährleistung schaffe laut Vangerow ein falsches Sicherheitsgefühl.

„Wenn wir die Gewährleistung verlängern, brauchen wir sie eigentlich auf das Ersatzteil,“ ergänzt er.

Greentech LIVE Conference 2023 Vangerow Recht auf Reparatur
Greentech LIVE Conference 2023: Steffen Vangerow fordert mehr Reparaturen von Technik-Produkten.

Vangerow fordert: Weg von Billig, hin zu langlebigen Geräten

Alles in allem klinge der Beschluss dennoch für ihn positiv. Er sieht es als eine Art Leitfaden, der wahrscheinlich nachher im Länderrecht entschieden werde.

Viele Punkte seien nötig, um die Reparatur weiter zu stärken und Deutschland habe aufzuholen. Darunter falle unter anderem die Stärkung unabhängiger Reparateure und ein Wegkommen von ständigem Neukauf.

„Diese Masse an Billig, das brauchen wir eigentlich nicht,“ betont er. „Wollen wir eine Kreislaufwirtschaft, müssen Geräte 20 bis 40 Jahre laufen. Das darf Innovation nicht verhindern, aber wegschmeißen, weil es nicht anders geht, kann keine Lösung sein.“