Pappe, das ist im Grunde nicht der Stoff, aus dem Computer gebaut werden, sondern vielmehr der Stoff, aus dem Öko-Träume sind. Dass die auch hin und wieder zur handfesten Realität werden können, hat Brenden Macaluso gezeigt. Geradewegs mit Pappe. Denn der Designer aus Texas hat einen Computer mit einem Gehäuse komplett aus Wellpappe entworfen und war damit Finalist bei der jährlich in New York durchgeführten Greener Gadgets Design Competition. Die ersten „nachhaltigen“ Papp-PCs, so Macaluso, sollen Ende des Jahres ausgeliefert werden.
„Recompute“ nennt sich der Desktop-PC mit dem ungewöhnlichen Gehäuse, das nicht nur ökologisch schick aussieht, sondern auch gängige Hardware-Innereien beherbergt. Denn vollwertiges Computing soll möglich sein, dabei aber Ressourcen so wenig wie möglich belasten, von der Herstellung der Geräte bis über die Entsorgung. Mit recycel- und erneuerbarer Wellpappe statt Plastik und minimalistischem Design kann der Produktionsprozess verkürzt, der Materialaufwand auf wenige Komponenten verringert und die Entsorgung der eingesetzten Stoffe vereinfacht werden, so die Philosophie hinter dem Öko-Computer.
Die Wellpapp-Einzelteile werden nicht zusammengeschraubt, sondern zusammengeklebt. Mit unbedenklichem Leim, versteht sich. Versehen mit Flammschutzmittel und EMI-Abschirmung beherbergt der kompakte Papp-Tower dann solide AMD-Prozessoren, Festplatten mit Kapazitäten bis zu 500 GB, 2 bis 4 GB Arbeitsspeicher, Grafikkarten aus der ATI-Radeon- oder Nvidia-GeForce-Reihe.
Das elektronische Innenleben des Recompute soll anders als bei herkömmlichen PC-Behausungen nicht durch aufwändige Demontage, sondern ganz ohne Werkzeug mit ein paar Handgriffen zu entfernen sein – was den Recycling-Anreiz erhöhen soll. Denn immer noch werden Rechner zum Teil als Komplett-Gerät auf illegalen IT-Müllhalden von Drittweltländern entsorgt.
Der Öko-Touch trifft den Nerv der Zeit. Nicht zuletzt, da auch die Angst vor Klimawandel und Umweltkatastrophen in aller Munde ist. Eine GfK-Studie hat jüngst ergeben, dass die Öko-Bilanz beispielsweise eines Fernsehgerätes eines der fünf wichtigsten Kriterien bei der Kaufentscheidung darstellt. Der von der Umweltschutzorganisation Greenpeace seit 2006 publizierte „Guide to Greener Electronics“ dürfte ebenfalls dazu beigetragen haben, die Umweltschutzbemühungen der Computerfirmen zu intensivieren.
Um von Greepeace gute Noten zu erhalten, müssen Firmen bei ihren Produkten auf giftige Chemikalien verzichten, Möglichkeiten für die Wiederverwertung anbieten und die Produktion und Distribution möglichst klimaneutral gestalten. Die Greenpeace-Liste wird von Nokia, Sony-Ericsson und Toshiba angeführt; Lenovo, Microsoft und Nintendo belegen die hintersten Ränge.
Entsprechend präsentieren IT-Unternehmen mehr und mehr Eco-Gadgets und preisen vehement die Umweltverträglichkeit ihrer „grünen“ Produkte an – nicht nur, wenn die einschlägigen Branchentreffen in Las Vegas, Barcelona oder Hannover ihre Pforten öffnen. Fast standardmäßig wird mittlerweile darauf hingewiesen, dass sparsame Prozessoren verbaut und umweltschädliche Stoffe reduziert sind oder auf gedruckte Handbücher verzichtet wird.
Ein Elektro-Riese wie Samsung bringt beispielsweise mit “Blue Earth” ein Solar-Touchscreen-Handy in einer Verpackung aus Altpapier auf den Markt, die sich zum Bilderrahmen umfunktionieren lässt. Das Hongkonger Start-up Dandelion Research hüllt Apples Kult-Smartphone mit seiner „Bioserie“ in ein Case aus Bioplastik. Notebooks aus „biologisch abbaubarem“ Kunststoff ohne PVC und bromhaltigen Flammhemmer mit sparsamen Intel-CPUs kündigte gerade der taiwanische PC-Bauer Acer für seine Timeline-Reihe an. Der niederländische Elektronikkonzern Philips erklärte jüngst, umstrittene und gesundheitsgefährdende Substanzen in der TV-Fertigung, darunter PVC und Brom, bald ganz aus der Produktion zu nehmen.
Wie umweltgerecht IT-Produkte wirklich sind, ist für den Verbraucher allerdings schwer zu beurteilen. Auch die Computer-Papp-Idee stösst nicht auf unumwundene Zustimmung. Kritiker bemängeln etwa, der Recompute sei alles andere als nachhaltig. Man müsse auch die Produkt-Lebensdauer berücksichtigen. Pappe sei empfindlich, nicht zu reparieren, halte Wärme fest, was die Hardware schädige. Und: Man verleite User durch den Stempel „umweltfreundlich“ zu einer nachlässigen Wegwerf-Mentalität, statt ihn zu Aufrüstung und Weiterverwendung anzuleiten.
Vergleichsmaßstäbe sind also wichtig. Gütesiegel und Kennzeichen wie etwa die Umweltblume der EU werden teilweise auch vergeben, aber längst nicht umfassend. Dabei ist eines klar. „Weniger schädlich“ ist immer ein Schritt in die richtige Richtung. Und wenn Notebooks, PCs, TV-Geräte oder Handys in Zukunft kompostiert werden können, dann wäre das doch wirklich nicht von Pappe.
Specs:
· Recompute (Standard) läuft unter Windows 7 Home mit AMD Athlon II x 4 Quad Core Prozessor mit 2,6GHz, 320 GB Festplatte, 3GB RAM, ATI Radeon HD4200 Grafikkarte. Preis: 858 Dollar.
· Recompute (Deluxe) ist ausgestattet mit AMD Phenom II Quad Core Prozessor mit 3,2GHz, 500 GB Festplatte, 4 GB Arbeitsspeicher und ATI Radeon HD 4200 Grafikkarte. Preis: 1.190 Dollar.
· In der Linux-Variante Recompute LNX kommt Ubuntu 9.10 zum Einsatz, AMD Athlon X 2 Dual-Core Prozessor mit 2,2GHz, dazu 250 GB Festplatte, 2 GB Arbeitsspeicher und Nvidia GeForce 7025 Grafikkarte. Preis: 484 Dollar.
· PREcompute mit Wellpappteilen zum Selberbauen. Preis:73 Dollar.
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