greenticker Den Namen «Wackelwald» trägt das kleine Gebiet in der Nähe des oberschwäbischen Bad Buchau völlig zu Recht. Starkes Auftreten oder rhythmisches Hüpfen lässt den Waldboden so heftig schwanken, dass die umstehenden Bäume schaukeln. Der Spaziergänger fühlt sich wie auf einem Schiff mit Seegang. Seine ungewöhnliche Eigenschaft hat das etwa 600 mal 200 Meter große Stück seinem moorhaltigen Untergrund zu verdanken. Denn über 33 Quadratkilometer erstreckt sich rund um den Federsee das größte zusammenhängende Moorgebiet Südwestdeutschlands.

Warum in dem Waldstück kurz vor den Toren des Städtchens nicht alles einsinkt, lässt Kerstin Wernicke vom Zentrum des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) am Federsee die Besucher ihrer Führungen gern selbst erkunden. Unter einer dünnen Schicht aus einem Geflecht von Baumwurzeln beginnt «der Torf», ein Morast aus abgestorbenen Pflanzen und viel Feuchtigkeit: «Nur zehn Zentimeter trennen uns noch vom Tod», sagt die Naturschutzexpertin nicht ganz ernst gemeint. Von der etwa zehn Meter dicken Schicht aus Morast sei nicht zu erwarten, dass sie Menschen «herunterziehe», wie dies von manchen Moorgebieten in Norddeutschland erzählt werde, fügt sie hinzu. «Es kann aber doch sein, dass man bis zur Hüfte einsinkt und dann ist es schwer, sich zu befreien», erläutert sie.

Von dieser Erfahrung können die Mitarbeiter vom NABU-Naturschutzzentrum, das vom Land den Auftrag zur Betreuung des Naturschutzgebiets um den Federsee hat, ausgiebig berichten. Sie mähen alljährlich etwa 100 Hektar Riedwiesen auf dem Moor per Hand, wo alle landwirtschaftlichen Geräte versinken würden. Das sei eine Knochenarbeit, sagt der 22-jährige Paul Roggon, der gerade sein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolviert. «Würden wir es aber nicht tun, würde hier alles innerhalb kurzer Zeit zuwachsen», erklärt er.

Die offenen Flächen, die das Moor rund um den Federsee prägen, sollen erhalten bleiben. Sie böten Lebensraum für 266 Vogelarten und über 700 Pflanzen, die teilweise noch aus der Eiszeit stammten wie Karlszepter, Strauchbirke oder Kriechweide, erläutert Kerstin Wernicke. «Dies sind die letzten Reservate, sonst gibt es sie in Baden-Württemberg nicht mehr», sagt sie. Allein zehn Orchideen-Arten wüchsen hier. Auch komme eine Kurzflügelkäferart bundesweit nur hier vor.

Da die von Natur aus nährstoffarmen Böden für die Landwirtschaft unrentabel sind, haben die hiesigen Bauern mittlerweile auf größtenteils EU-geförderte Landschaftspflege umgesattelt. Für das Mähen der naturgeschützten Feucht- und Streuwiesen mit doppelbereiften Maschinen erhalten sie rund 300 000 Euro pro Jahr aus Landes- und EU-Mitteln. Das von Entwässerung und Torfschwund bedrohte Gebiet, das die Spuren der Eiszeit vor mehr als 12 000 Jahren dokumentiert, wurde zudem mit EU-Mitteln aufwendig renaturiert. Der 200 Jahre lang währende Torfabbau im Süden des Gebiets war aus Naturschutzgründen in den sechziger Jahren eingestellt worden.

Bad Buchau bereitet sich derzeit auf ein rundes Jubiläum im nächsten Jahr vor: Vor 100 Jahren wurden der Federsee und seine Moorlandschaft einer der ersten privaten Naturschutzgebiete Deutschlands. 1911 kaufte die Gründerin des NABU-Vorläufers Bund für Vogelschutz, Lina Hähnle, erste Flächen nördlich von Buchau und stellte sie unter «privaten» Schutz. Im selben Jahr wurde der Federseesteg errichtet, der über 100 000 Touristen pro Jahr anlockt. «Man kann sagen, dass Lina Hähnle hier den Naturtourismus mit schon damals professioneller Vermarktung gegründet hat», erläutert Kerstin Wernicke.

Das 1939 auch offiziell ausgewiesene Naturschutzgebiet wuchs in den vergangenen Jahren um weitere Gebiete auf 2350 Hektar an und ist über Pfade mit Aussichtsplattformen rund um den See begehbar. «Moorschutz ist ein ganz wichtiges Thema am Federsee“, erläutert Kerstin Wernicke. «In tausend Jahren entsteht gerade einmal ein Meter Moor.»

(NABU-Federsee.de)
[TechFieber Green/mei/ddp] [Photo ]

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