H&M advert von Gene Hunt.
Deutsche Verbraucher sind offenbar im großen Stil Opfer eines Betrugs mit Öko-Siegeln bei Bekleidung geworden. Wie nun bekannt wurde, ist bereits im vergangenen Jahr als organisch ausgewiesene Baumwolle aus Indien mit gentechnisch veränderter Rohware in den Handel gelangt. Kleidung aus der Baumwolle wurde bei Einzelhandelsketten, wie H&M, C&A und Tchibo als «Bioware» verkauft.
Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) kritisierte die Industrie scharf und forderte Aufklärung.

«Der Vorgang hätte unverzüglich öffentlich gemacht werden müssen», sagte Aigner der «Süddeutschen Zeitung» (Samstagausgabe). «Ich erwarte, dass Produzenten und Lieferanten den Fall schnell und lückenlos aufklären.» Es müsse geklärt werden, um welches Siegel es sich handele und wie es zertifiziert worden sei. Das Ministerium betonte, dass das deutsche Bio-Siegel von dem Fall nicht betroffen sei. Denn bei Geweben, Stoffen und Baumwolle werde laut Rechtsvorschrift kein deutsches Bio-Siegel vergeben, da diese Produkte nicht in der EG-Ökoverordnung gelistet sind.

Die «Financial Times Deutschland» hatte in ihrer Freitagausgabe über die Vorgänge in Indien berichtet. Der Fall sei bereits im vergangenen Jahr öffentlich geworden. Damals sei in mehreren Dörfern einer indischen Provinz genmanipuliertes Saatgut ausgesät worden. Zwei Zertifizierer hätten den Proben dennoch das Bio-Siegel gegeben. Zertifizierer, Dachverbände und Nichtregierungsorganisationen hätten zunächst versucht, aus Angst um die Idee des Ökoanbaus den Vorfall nicht öffentlich werden zu lassen, was allerdings misslang. Neben einem indischen Fair-Trade-Unternehmen sind laut der Zeitung auch der französische Zertifizierer Ecocert und Control Union aus den Niederlanden mit Strafgeldern belegt worden.

Ein H&M-Sprecher wollte laut dem Bericht nicht ausschließen, «dass etwas von dieser Baumwolle» verwendet worden sei. Tchibo habe dagegen von einem «GAU» gesprochen und wolle die Ware in einem unabhängigen Labor prüfen lassen. Ebenso wie C&A wolle man dem Fall auf den Grund gehen. Man werde «gründliche Untersuchungen vor Ort in Indien durchführen», sagte ein C&A-Sprecher in Düsseldorf. «Wir haben bereits Kontakt zu den Zertifizierern aufgenommen», fügte er hinzu. H&M hat bereits mit dem Zertifizierer gesprochen, um eine Wiederholung des Falls auszuschließen. Während die schwedische Kette eine eigene Produktlinie mit Ökobaumwolle hat, versprechen Tchibo und C&A «100 Prozent Bio».

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace forderte mehr Schutz für die Verbraucher. «Das ist ein großes Fehlverhalten, das ist Verbrauchertäuschung, das muss bestraft werden», sagte Martin Hofstetter, Agrar-Experte bei Greenpeace, dem Sender MDR Info. Hier hätten vor allem Zertifizierungssysteme versagt. Das Problem an der Bio-Baumwolle aus Indien sei vor allem die vorhandene kleinstrukturierte Landwirtschaft. Es gebe viele Bauern auf kleinsten Flächen nebeneinander, die alle verschiedene Anbauarten betrieben – biologisch, konventionell und mit Gentechnik-Pflanzen. Dadurch finde eine Kontamination von einem Feld aufs andere statt, erklärte der Agrar-Experte.

[tf/mast/ddp / Photo Gene Hunt via Flickr/cc]