Nach der CSU peilt auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einen Atomausstieg um das Jahr 2022 herum an. Die CDU-Chefin begrüßte am Wochenende die entsprechende Festlegung der Schwesterpartei. Bei einer CSU-Klausur im oberbayerischen Kloster Andechs sprach sie vom „richtigen Zeitraum“, nannte aber selber noch keine konkrete Jahreszahl. Die Kanzlerin will erst die Ergebnisse der Ethikkommission abwarten, die Ende Mai vorliegen. Die Opposition pocht auf einen früheren Ausstieg und wirft der schwarz-gelben Bundesregierung vor, beim Atomausstieg nicht konsequent zu sein.
Unterdessen ging das Atomkraftwerk Emsland in Niedersachsen wegen planmäßiger Revisionsarbeiten vom Netz. Damit liefern für rund eine Woche nur noch vier der 17 deutschen Atommeiler Strom. Wegen des Atommoratoriums stehen bereits acht AKW still – in fünf weiteren gibt es Wartungsarbeiten. Am Netz sind noch Isar II und Gundremmingen C (Bayern), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Neckarwestheim II (Baden-Württemberg). Gundremmingen B soll um den kommenden Donnerstag herum wieder hochgefahren werden. Der Chef der Bundesnetzagentur, Matthias Kurth, wies die Sorge vor einem „Blackout“ zurück.
„Die Lage ist kritisch, aber dennoch beherrschbar“, sagte Kurth am Wochenende der „Passauer Neuen Presse“. Die Netzbetreiber seien vorbereitet und steuerten gegen. Zudem liege der Stromverbrauch derzeit auch nicht auf Spitzenniveau. Der Vize-Fraktionschef der SPD-Fraktion, Ulrich Kelber, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Wir haben keinen Kapazitätsengpass.“ Man müsse aber darauf achten, dass in den jeweiligen Netzen genügend Strom sei. Das sei Aufgabe der Netzbetreiber. „Sie sagen, es ist beherrschbar“. Spekulationen über einen drohenden Blackout bezeichnete er als „hochgradig unseriös“.
Auch Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin sagte: „Es wird nach unserer Auffassung keine Probleme geben.“ Nach Einschätzung des energiepolitischen Sprechers der FDP-Bundestagsfraktion, Klaus Breil, könnte es aber zu Engpässen kommen. „Die Lage ist sehr angespannt“, sagte er der dpa. „Wenn die Wetterlage nicht mitspielt und wenn der Bedarf besonders hoch ist, kann es sein, dass es knapp wird.“ Er sei aber „verhalten optimistisch“, dass die Lage beherrschbar bleibe.
Unterdessen diskutiert die Politik über den passenden Zeitpunkt für einen Atomausstieg. Am Freitagabend hatte die CSU als erste der drei Berliner Koalitionsparteien ein konkretes Datum gesetzt – das Jahr 2022. Parteichefs Horst Seehofer setzte sich damit gegen die Gegner eines schnellen Atomausstiegs in der CSU durch. Die Kritiker des schnellen Ausstiegs befürchten steigende Strompreise und eine sinkende Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft.
SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Koalition Konzeptionslosigkeit beim Atomausstieg vor. Die SPD halte ein Abschalten aller Kernkraftwerke zwischen 2015 und 2020 für möglich. Linke-Chefin Gesine Lötzsch forderte einen Atomausstieg schon bis 2014.
Die Grünen warfen Merkel vor, in der Atomausstiegs-Debatte „einen Schritt vor anzudeuten und drei zurück zu marschieren“. Trittin sagte: „Ein Atomausstieg 2022 möglichst mit Revisionsklauseln ist nichts weiter als das Bemühen, sich doch noch eine Hintertür offen zu halten.“ Ein konsequenter Ausbau der erneuerbaren Energien lasse technisch und rechtlich einen Ausstieg bis spätestens 2017 zu. Er erwarte, dass Merkel bei dem nächsten Treffen der Partei- und Fraktionschefs am 30. Mai ein verhandlungsfähiges Angebot vorlege, das ein festes Ausstiegsdatum vorsehe, sagte Trittin der dpa.
Dagegen warnte der frühere Siemens-Chef Klaus Kleinfeld vor Risiken eines schnellen Atomausstiegs. „Eine radikal veränderte Energiepolitik kann zum Risiko für die industrielle Entwicklung in Deutschland werden“, sagte der heutige Vorstandschef des Aluminiumkonzerns Alcoa <ALU.ETR> <AA.NYS>der „Welt am Sonntag“. „Die Industrie wird nur dahin gehen, wo sie verlässliche Rahmenbedingungen vorfindet.“ Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Hans-Peter Keitel, sagte hingegen dem „Tagesspiegel“ (Montag): „Wir tragen den Ausstieg aus der Kernkraft mit.“
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