[Atomkraft] Atomstreit beherrrscht RWE-Hauptversammlung -  Aktionäre haben Bedenken gegen Kernenergie Mit seinem strikten Pro-Atom-Kurs trifft RWE-Chef Jürgen Großmann zunehmend auf Widerstand: nicht nur bei Kernkraftgegnern, sondern auch bei Aktionären des größten deutschen Stromproduzenten. Das zeigte am Mittwoch die erste RWE-Hauptversammlung nach der Atomkatastrophe in Japan. Vor der Essener Grugahalle demonstrierten Hunderte Kernkraftgegner mit «Abschalten»-Rufen gegen den Atomkurs des Konzerns. Doch auch auf dem Aktionärstreffen wurde der Ruf nach einem Kurswechsel lauter.

Großmann zeigte sich von den Anti-Atomprotesten allerdings unbeeindruckt. Ausdrücklich verteidigte er vor den Aktionären die Klage des Konzerns gegen das Atommoratorium. Es gebe keine Rechtsgrundlage für das vorübergehende Abschalten der Altreaktoren, sagte Großmann. Denn Kernkraftwerke erfüllten die geltenden Sicherheitsanforderungen. Schon im Aktionärsinteresse sei die Klage unvermeidlich. Denn für den Konzern bedeute die Abschaltung der Reaktoren Verluste im niedrigen dreistelligen Millionenbereich.

Vehement warnte der Manager außerdem vor den Folgen eines übereilten Atomausstiegs für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Ein solcher Schritt gefährde Arbeitsplätze und Wohlstand in der Bundesrepublik. Dabei sei der Sicherheitsgewinn angesichts von 143 Kernkraftwerken in Europa marginal.

Atom-Zweifel bei Aktionären

Der RWE-Chef räumte zwar das Primat der Politik in Energiefragen ein und betonte: «Wenn es der feste Wille der Mehrheit der deutschen Bevölkerung und der sie vertretenden Politik ist, zukünftig auf Kernkraft zu verzichten, werden wir uns dem nicht verschließen.» Allerdings warnte er, ein solcher Schritt werde Kosten in dreistelliger Milliardenhöhe verursachen.

Es sei eine Illusion zu glauben ein beschleunigter Ausstieg koste nichts und sei klimaneutral zu machen, sagte Großmann. Nicht nur die Industrie, sondern auch die Privatverbraucher müssten dann mit höheren Strompreisen rechnen.

Doch ist der Konfrontationskurs des Konzernchefs in der Atomfrage auch unter den RWE-Aktionären inzwischen umstritten. Zwar begrüßten die Aktionärsschützer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz ausdrücklich die Klage gegen das Atommoratorium. Andere bedeutenden Anleger äußerten dagegen Zweifel am Vorgehen Großmanns. So warnte Hans-Christoph Hirt von der Vereinigung institutioneller Privatanleger, Großmann setze mit seinem Konfrontationskurs Reputation und Akzeptanz des Essener Energiekonzerns aufs Spiel.

Andere Aktionärsvertreter kritisierten die Pläne des Konzerns zum Bau neuer Kernkraftwerke im Ausland: «Neues Geld für derartige Hochrisikotechnologien wird es mit unserer Unterstützung nicht geben», sagte etwa ein Vertreter des Investmentfonds Union Investment.

Die Hauptversammlung wurde begleitet von Demonstrationen von lautstarken Protesten von Atomkraftgegnern, die die Aktionäre mit «Schämt Euch»- und «Abschalten» Rufen empfingen und versuchten, die Veranstaltung mit einer Sitzblockade und Zwischenrufen zu stören.

wat/dapd