Atomkraft Adé: Röttgen und Brüderle wollen Milliarden für EnergiewendeMit Milliarden-Programmen zum Ausbau erneuerbarer Energien, für mehr Energiesparen und ein besseres Stromnetz will die Bundesregierung den Atomausstieg beschleunigen. Die Windenergie soll bei der anvisierten Energiewende eine Hauptrolle spielen. Das geht aus einem Sechs-Punkte-Plan hervor, auf den sich die Minister Norbert Röttgen (CDU, Umwelt) und Rainer Brüderle (FDP, Wirtschaft) geeinigt haben. Woher das Geld kommen soll, ist weitgehend unklar. Der CDU-Wirtschaftsflügel warnt bereits vor einem Aufweichen des Sparkurses.

Spitzenpolitiker der schwarz-gelben Koalition betonten den Willen zu einem schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie, wandten sich aber gegen ein überhastetes Vorgehen.

Nach dem Röttgen/Brüderle-Plan soll noch in diesem Frühjahr ein Sonderprogramm mit einem Volumen von 5 Milliarden Euro für Windparks vor der Küste starten. Das Programm zur CO2-Sanierung von Gebäuden – für 2011 sind knapp 450 Millionen Euro vorgesehen – soll schrittweise auf 2 Milliarden Euro aufgestockt werden. Den Energie- und Klimafonds wollen die Politiker schon 2012 auf eine Milliarde Euro erhöhen – 300 Millionen waren geplant. Millionen sind für ein Forschungsprogramm vorgesehen. Vor allem die Forschung über „Netze und Speicher“ will die Regierung massiv auf 500 Millionen Euro aufstocken.

Der raschere Ausstieg aus der Kernenergie müsse „realistisch und mit Augenmaß erfolgen“, heißt es in dem der dpa vorliegenden Papier. Bund, Länder und Kommunen seien gemeinsam gefordert. Auch hier und bei der geplanten Beschleunigung von Genehmigungsverfahren inklusive Bürgerbeteiligung ist offen, wann es Ergebnisse geben könnte. Das Papier soll nun den Ministerpräsidenten und Fraktionen zugeleitet werden. Am Freitag will Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf dieser Basis mit den Regierungschefs diskutieren.

Röttgen sagte der „Super Illu“, die Koalition müsse sich endgültig von der im Herbst beschlossenen Laufzeitverlängerung verabschieden. Die Befürchtungen, es könne zu Blackouts kommen, wies er zurück: Bei der Stromerzeugung gebe es Überkapazitäten, selbst wenn die sieben alten Atommeiler abgeschaltet blieben.

Der CDU-Wirtschaftsrat warnte angesichts der Milliarden-Pläne vor einem Aufweichen des Sparkurses. Merkel und der designierte FDP-Chef Philipp Rösler hätten sich der Haushaltssanierung als oberstem Ziel verschrieben. „Dieses darf auch nicht für eine geplante Energiewende relativiert werden“, verlangte Wirtschaftsrat-Präsident Kurt Lauk. Der energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Bareiß (CDU), warnte in einem dpa-Gespräch vor Milliardenlöchern im Haushalt bei einem Atomausstieg bis etwa 2020. Angesichts von Schuldenbremse und Euro-Krise kämen auf die Verbraucher steigende Strompreise zu.

CSU-Chef Horst Seehofer verband den Erfolg der Koalition mit dem Erfolg der Energiewende. „Dieses Projekt ist wichtiger als alles andere, was im Koalitionsvertrag steht“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ (Samstag).

FDP-Generalsekretär Christian Lindner sagte dem „Hamburger Abendblatt“ (Samstag): „Unter den Aspekten der Wirtschaftlichkeit, der Versorgungssicherheit und der Klimaverträglichkeit halte ich es für unrealistisch, 2022 das letzte Kernkraftwerk vom Netz zu nehmen.“ Er erwarte aber, dass die weit überwiegende Zahl der sieben derzeit stillgelegten Altmeiler nicht mehr ans Netz gehe.

Einen ungewöhnlichen Schulterschluss gab es zwischen Arbeitgebern und der SPD. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt warnte im Kölner „Sonntag-Express“ vor negativen Folgen für die Wirtschaft durch einen raschen Atomausstieg. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel warf der Regierung in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ vor, beim Ausstieg die Interessen der Industrie nicht ausreichend zu berücksichtigen.

Die Vizevorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Bärbel Höhn, kündigte an, ihre Fraktion werde in dieser Woche im Umweltausschuss die Anhörung von Sachverständigen beantragen. Die Rahmenbedingungen für Atomsicherheit und -ausstieg dürften nicht nur in externen Regierungskommissionen diskutiert werden.