Ohne Wind wäre es ganz schön still. Wer das nicht glauben will, kann sich im Herzen Ostfrieslands überzeugen lassen. Nicht nur weil im hohen Norden Deutschlands die Windkraftnutzung eine lange Tradition hat, sondern weil dort das neue Energie-, Bildungs- und Erlebnis-Zentrum, kurz EEZ, seine Türen weit geöffnet hat für Besucher aus aller Welt – jeden Tag von 10 bis 18 Uhr und selbstverständlich auch in den anstehenden Herbstferien.
Rund 27 Millionen Euro hat der Komplex in Aurich gekostet, der mit interaktiven Installationen und zahlreichen innovativen Mitmachstationen rundum schlau macht in Sachen Energie und eben auch über die Kraft des Windes aufklärt.
„Energie ist ein sehr vielschichtiges und komplexes Thema“, sagt Hardwig Kuiper, Aurichs Erster Stadtrat und Geschäftsführer der EEZ-Betreibergesellschaft ABH. „Und entscheidend für unsere Zukunft.“
Klar, es geht ja um so elementare Dinge wie Sonne, Wind und Wasser, das „Kraftwerk Erde“, Biomasse und vor allem um die Herausforderungen an die Zukunft, um Klimawandel, um saubere Energiegewinnung, die den Planeten schont. Was ist Energie? Wie entsteht sie? Und auch entscheidend: Was wäre der moderne Mensch nur ohne Energie?
Das sind die großen Fragen, denen man hinter der futuristischen Fassade aus 73.000 Aluminiumplättchen in der großen Rundhalle des EEZ begegnet.
Die Dauerausstellung ist nach thematischen Schwerpunkten gegliedert mit Exponaten, die man aktiv erleben soll. An der Kubel drehen, mit Solar-Autos Rennen fahren, Licht bündeln, Wasserkraft durch Turbinen nutzen oder auf Touchscreens eine Welt erschaffen, in der Energie ohne fossile Brennstoffe und Umweltverschmutzung erzeugt wird.
Mit einer orangefarbenen Plastik-Chip-Quaste, die an den Stationen einzustöpseln ist, kann man sich auf den Weg machen in die Zukunft der Energie. Leuchtend orange zeigt sich dabei die Sonne – nicht als Naturspektakel beim Untergang, sondern als „Kraftwerk am Himmel“, als „Puffer der Energiewende“, für die gerade in Deutschland besonders die Photovoltaik und Solarthermie von Bedeutung sind. Selbstredend wird das EEZ über eine Photovoltaik-Anlage mit Strom versorgt und verfügt außerdem über ein Regenauffangbecken.
Auch Wasser ist Teil der Energiewende, als „verlässliche Kraft“ positioniert im EEZ, völlig wetterunabhängig im Gegensatz zur Sonnen- und Windenergie. Ja, genau, der Wind, auch das ist eine gewaltige Sache, die da im Herzen des EEZ unter anderem mit Ventilatoren erlebbar gemacht wird.
Vom lateinischen ventulus rührt das her, was soviel heißt wie „schwacher Wind“ oder „Lüftchen“ – und, wie allgemein bekannt, nicht nur bei Temperaturen wie im Jahrhundert-Sommer dieses Jahres ganz grundsätzlich mal Luftzufuhr und angenehme Kühlung bescheren soll.
Im „Windlooping“ allerdings, dem zentralen Exponat und Blickfang der Austellungshalle, geht es mehr darum, die Kraft des Windes zu erleben. Die interaktive Installation besteht aus mehr als 20 Dyson Ventilatoren, die sich geradezu anbieten für einen beeindruckenden 360-Grad-Loop – da sie kreisrund und rotorblattlos sind und Luft wie von Geisterhand stark und gleichmäßig beschleunigen.
In den Luftstrom der innovativen Geräte können farbenprächtige Luftballons auf Reise geschickt werden. Idealerweise schaffen sie eine ganze Runde. Hierzu kann der Luftstrom der Ventilatoren (quasi die Windstärke) und die Luftmenge im Ballon variiert werden. Schnell lernt man durch Probieren: Je weniger prall der Luftballon, desto einfacher lässt er sich vom Sog durch die Ventilator-Ringe befördern. Physikalische Gesetze ganz einfach anschaulich gemacht.
Bei dem Spaß am Windkanal geht es wie bei all dem praktischen Erleben und Experimentieren immer um Wissensvermittlung, um Bildung und Fortbildung. Ganz konkret auch etwa im Zukunftslabor des EEZ, in dem Schülern seit September interdisziplinärer Unterricht angeboten wird.
Robotik, Mechatronik und Bionik sind abgedeckt, auch das Arbeiten mit 3D-CAD und 3D-Druckern kann gelernt werden. Und auf den 1600 Quadratmetern, die Enercon – Europas größter Windkrafthersteller und wichtigster Partner des EEZ – gepachtet hat, befinden sich zahlreiche Seminar- und Ausbildungsräume für Metallbau-Berufe und Elektrotechnik. Der Windkraft-Riese hat den Betrieb in den Werkstätten bereits mit 80 neuen Azubis aufgenommen.
Im Außenbereich des EEZ dreht sich wiederum alles um die Kraft des Windes, das „Rückgrat der Energiewende“. Im Fokus stehen hier originale Maschinenhäuser von Enercon Windenergieanlagen.
Und dann ist da noch der Energieturm – ein weiteres Highlight, das auf drei Stockwerken in 360-Grad-Projektionen die Macht der Naturgewalten auf Besucher einprasseln lässt. Mit Hilfe von „State of the art“-Laser-Beamern und multifunktionaler Beschallungstechnik zucken Blitze, krachen Donnersalven, türmen sich Wellen auf. Man steht mitten drin im Dschungel, Wasserfall oder Vulkan und kann all die „Energie auf sich wirken lassen“, wie das EEZ verspricht.
Nach einem Besuch versteht man umso mehr, weshalb Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies Aurich mit diesem Projekt als „europäische Umweltstadt für erneuerbare Energien” ausgerufen hat.
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