Im Genehmigungsverfahren für die umstrittene Erdgasförderung in der Nordsee vor der Insel Borkum wirft Greenpeace der niedersächsischen Landesregierung vor, ein naturschutzfachliches Gutachten unter Verschluss zu halten. Umweltminister Christian Meyer widersprach auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur diesem Vorwurf. Konkret geht es um möglicherweise schutzwürdige Steinriffe nahe den geplanten Erdgasbohrungen, die Lebensraum etwa für Hummer, Krebse und Fische sein könnten.
Laut der Umweltschutzorganisation gibt es seit fast zwei Jahren Unterlagen, die auf schützenswerte Riffstrukturen hinweisen. Die Informationen zu diesen Verdachtsflächen seien zwar dem Bundesamt für Naturschutz gemeldet worden, in das auf deutscher Seite laufende Planfeststellungsverfahren aber nicht eingeflossen, teilte Greenpeace am Samstag mit. Diese Erkenntnis zieht die Organisation aus einer Anfrage nach dem Niedersächsischen Umweltinformationsgesetz bei den Behörden.
Potenzielle Umweltschäden durch Gasbohrungen
«Dieses Gutachten ist höchst relevant, um die möglichen Umweltschäden durch die Gasbohrungen zu bewerten», teilte Greenpeace-Energieexpertin Anike Peters mit. «Es ist ein Skandal, dass Niedersachsens Umweltministerium derart zentrale Informationen bislang zurückgehalten hat.» Die Landesregierung müsse die geplanten Bohrungen unmittelbar neben den Riffen stoppen.
Meyer widersprach. «Es gibt keine Verheimlichungen», sagte der Grünen-Politiker. «Es gibt Untersuchungen des Wattenmeers durch die Nationalparkverwaltung, die ständig schaut, was verändert sich dort an Biotopstrukturen. Diese neuen Erkenntnisse haben wir auch dem Bund gemeldet, haben wir auch auf Anfrage von Greenpeace herausgegeben.»
Diese Informationen würden auch Teil des Planfeststellungsverfahrens sein, sagte der Minister. Wie genau diese neuen Erkenntnisse aussehen, ist offen. Von einem Gutachten sprach Meyer nicht.
In dem Verfahren habe der Schutz der Umwelt, des Wattenmeeres und Borkums eine zentrale Bedeutung. «Wir setzen uns da für volle Transparenz ein, denn wir wollen natürlich ein rechtssicheres und sauberes Verfahren haben», sagte der Minister. «Von daher ist der Vorwurf, wir würden irgendwelche Gutachten unterm Tisch halten, falsch.»
Sorgen um schützenswertes Riff
Ein Sprecher des Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie, das das Planfeststellungsverfahren führt, sagte auf Anfrage, bislang seien weder ein Gutachten noch andere Untersuchungen zu den möglichen Steinriffen Teil des Verfahrens.
Dass es tatsächlich Steinriffe nahe der geplanten Gasförderung gibt, sollen Forschungstaucher im Auftrag von Greenpeace festgestellt haben. Sie liegen demnach auf niederländischem Gebiet und in der Nähe der für die Bohrplattform geplanten Kabeltrasse auf deutscher Seite. Es deute alles auf ein oder mehrere schützenswerte Riffe hin, teilte Greenpeace mit.
Gasbohrungen in Holland vorerst untersagt
Anfang der Woche hatte ein Gericht in Den Haag Bauarbeiten zur Vorbereitung der Gasbohrungen auf niederländischer Seite vorerst untersagt. Dort hatte das niederländische Unternehmen One-Dyas von der Regierung in Den Haag eine Lizenz erhalten, um nördlich der Wattenmeerinseln Borkum und Schiermonnikoog in niederländischen Gewässern nach Erdgas zu bohren.
Mehrere deutsche und niederländische Umweltorganisationen sowie die Stadt Borkum hatten eine einstweilige Verfügung gegen die Bauarbeiten gefordert. In diesem Verfahren machten die Kläger deutlich, dass die Arbeiten ein geschütztes Riff schädigen könnten, das von Borkum bis auf die niederländische Seite reiche. Zu dieser Frage äußerte sich das Gericht aber nicht.