[Energiewende] Schwarz-Gelb will Atomausstieg bis 2022

Durchbruch im Ringen um den Abschied von der Kernenergie in Deutschland: Die schwarz-gelbe Koalition will bis spätestens Ende 2022 endgültig den letzten Atommeiler stilllegen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Montagmorgen aus Koalitionskreisen in Berlin. Zuvor hatten die Koalitionsspitzen fast zwölf Stunden im Kanzleramt verhandelt.

Der Großteil der Meiler soll schon bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, sollen die letzten drei Meiler jedoch erst 2022 abgeschaltet werden. Diese Anlagen würden als eine Art „Sicherheitspuffer“ angesehen.

Nach dem früheren rot-grünen Atomausstieg wäre der letzte Meiler erst etwa gegen 2022/23 vom Netz gegangen. Noch im Herbst hatten Union und die FDP die Laufzeiten im Schnitt um 12 Jahre verlängert. Nach der Katastrophe von Fukushima vollziehen die Regierungsparteien nun eine Kehrtwende.

Auch werden im Rahmen des jetzt beschlossenen Ausstiegs die sieben ältesten Atommeiler und das AKW Krümmel stillgelegt. Die sieben älteren AKW waren Mitte März nach der Katastrophe von Fukushima aus Sicherheitsgründen mit dem Atom-Moratorium abgeschaltet worden.

Jedoch könnte mindestens eines der Kraftwerke für den Fall von Stromengpässen in Bereitschaft gehalten werden. Welches AKW das ist, entscheidet die Bundesnetzagentur.

Die Ethik-Kommission hatte den Ausstieg bis 2021 empfohlen. Schnell einig waren sich Union und FDP, dass die Atomsteuer bleibt. Zudem sollen ein bis zwei der abgeschalteten AKW in einer Art „Stand By“-Funktion gehalten werden, um bei Stromengpässen reagieren zu können.

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte dies vorgeschlagen. Die Kosten dafür könnten bis zu 50 Millionen Euro pro Jahr und AKW betragen. Experten halten diese Idee allerdings für schwer durchführbar.

Laut Bundesnetzagentur könnten gerade im Süden im Winter bei zu wenig Solar- und Importstrom bis zu 2000 Megawatt fehlen, das entspricht in etwa der Leistung von zwei AKW.

An der mit dem schwarz-gelben Sparpaket beschlossenen und zu Jahresanfang eingeführten Steuer auf Brennelemente hält die Koalition fest. Sie sollte dem Bund jährlich 2,3 Milliarden Euro einbringen. Werden aber wie jetzt beschlossen acht Kernkraftwerke vorzeitig abgeschaltet, verringern sich die Einnahmen auf etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr.

In der Koalition war zeitweise eine Abschaffung geprüft worden, damit die Konzerne mehr Geld für Investitionen in Ökostrom-Projekte hätten. Allerdings hatte die Opposition scharf protestiert, dass ein Wegfall der Steuer eine Art neuer „Deal“ mit den Atomkonzernen Eon <EOAN.ETR>, RWE <RWE.ETR>, EnBW <EBK.ETR> und Vattenfall gewesen wäre.

Unter dem Motto „Atomkraft Schluss!“ hatten am Wochenende nach Veranstalterangaben insgesamt 160.000 Menschen in 21 Städten gegen die Atomkraft demonstriert. Bis zum späten Abend besetzten Greenpeace-Aktivisten das Brandenburger Tor in Berlin, um für einen raschen Atomausstieg bis 2015 zu werben.

Die 17-köpfige Ethik-Kommission zum Atomausstieg stellte am Wochenende ihren Abschlussbericht fertig, den Merkel offiziell am Montag erhält. Das Gremium ist überzeugt, dass der fehlende Atomstrom in zehn Jahren oder früher durch erneuerbare Energien ersetzt werden kann.

Die Kommission fordert zudem die Regierung auf, einen Sonderbeauftragten für die Energiewende zu berufen. Auch müsse es eine zügige Regelung der Endlagerung für hoch radioaktiven Atommüll geben und nach alternativen Standorten zu Gorleben in Niedersachsen gesucht werden.

Merkel hofft nun auf einen Konsens mit SPD und Grünen und führte noch in der Nacht zu Montag Gespräche mit ihren Parteispitzen. SPD-Chef Sigmar Gabriel erklärte danach, seine Partei sei zu einem Konsens bereit – aber zu klaren Bedingungen. Viele Fragen seien noch offen. Der „Stand by“-Betrieb von alten Meilern sei technisch fragwürdig. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin warnte vor neuen Hintertüren der Koalition.

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