[Energiewende]  Ja zu beschleunigtem Atomausstieg - Datum offen  In der schwarz-gelben Koalition lässt sich noch keine einheitliche Linie beim Atomausstieg erkennen. Die FDP will das Tempo beim Ausstieg aus der Atomenergie vom Fortschritt bei den erneuerbaren Energien abhängig machen. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) wartet darauf, welches Datum die Ethikkommission vorschlägt. Die Grünen halten bereits jetzt einen Ausstieg bis 2017 für möglich und fordern eine verbindliche Festlegung. Umstritten blieben am Wochenende auch die Kosten der angepeilten Energiewende.

An diesem Dienstag übergibt die Reaktorsicherheitskommission den Abschlussbericht zur technischen Überprüfung der 17 Atomkraftwerke an Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Die von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingesetzte Ethikkommission will ihren Abschlussbericht Ende Mai vorlegen. Sie hält nach ersten bekanntgewordenen Positionen einen vollständigen Ausstieg bis spätestens 2021 für möglich.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hält diesen Zeitraum für realistisch. Er sprach der Bundeskanzlerin in der „Bild am Sonntag“ jede Glaubwürdigkeit in der Energiepolitik ab.

Der FDP-Parteitag in Rostock beschloss am Sonntag, dass die Sicherheit der Versorgung von Haushalten und Industrie mit bezahlbarer Energie immer im Vordergrund stehen müsse. Bereits am Samstag hatten der neue Parteichef Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner einen „Überbietungswettbewerb des Ausstiegs“ aus der Kernenergie kritisiert.

Kauder sicherte zu, dass sich die schwarz-gelbe Koalition keine Hintertüren beim Atomausstieg offen halten wird. „Wir meinen es ernst mit unserem neuen Energiekonzept“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Zu der von CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt ins Gespräch gebrachten Revisionsklausel sagte er, es gehe lediglich darum, dass die Regierung einmal im Jahr einen Fortschrittsbericht über die Energiewende vorlegen solle. Eine nachträgliche Verlängerung von Atomlaufzeiten sei „ausdrücklich nicht“ geplant. Umweltminister Röttgen sprach im Magazin „Focus“ ebenfalls lediglich von einem „Kontrollmechanismus“, der sicherstellt, dass die Ziele erreicht werden.

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte im „Hamburger Abendblatt“ (Samstag): „Der Atomausstieg muss unumkehrbar werden.“ Wichtig sei, dass endlich eine verbindliche Jahreszahl für die Abschaltung des letzten AKW festgelegt werde, „damit die elende Trickserei der vier Atomkonzerne mit der Übertragung von Strommengen ein Ende hat.“ Der Atomausstieg sei innerhalb der nächsten Wahlperiode – also bis 2017 – möglich.

Zu den mögliche Kosten einer Energiewende in Deutschland sagte Steinmeier: „Wer den Menschen vormacht, dass ein beschleunigter Umstieg in erneuerbare Energien kostenlos zu haben ist, sagt nicht die Wahrheit.“ Aus Röttgens Sicht wird die Energiewende nur zu geringen Strompreiserhöhungen führen. „Das wird sich alles sehr moderat verhalten“, sagte er. Klar sei aber, dass die Energiewende „nicht zum Nulltarif zu haben“ sei. EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte dagegen dem „Hamburger Abendblatt“ (Montag): „Ich gehe davon aus, dass Strom in den nächsten Jahren erheblich teurer wird.“

Bei der Suche nach einem Standort für ein Atomendlager will Röttgen einen neuen Anlauf nehmen. „Die Situation hat sich tatsächlich verändert. Sie birgt die Chance, auch bei der Lagerung von radioaktiven Abfällen zu einem Konsens zu kommen.“

Baden-Württembergs neuer Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte dem „Spiegel“: „Bevor man nicht den letzten Meiler endgültig stillgelegt hat, wird man nirgendwo ein Atomendlager durchsetzen können.“ Bis dahin müsse man ernsthaft nach einem geeigneten Standort suchen, „und suchen heißt natürlich, dass man auch finden darf. Sonst ist es eine Mogelpackung“.