Ein vorzeitiges Aus für die Kernkraftwerke in Deutschland könnte nach Auffassung des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI) erhebliche volkswirtschaftliche Schäden verursachen. Würde die Bundesregierung die Verlängerung der Laufzeiten zurücknehmen, führte dies „zu Wohlstandverlusten in dreistelliger Milliardenhöhe“, sagte Manuel Frondel, Energieexperte beim RWI, dem „Handelsblatt“ (Montag).
Frondel beruft sich dabei auf Berechnungen, die das RWI bereits 2009 in seiner Energieprognose für die Bundesregierung angestellt hat. Darin kommt das Institut zu dem Ergebnis, dass eine Verlängerung der Laufzeiten zu einer kostengünstigeren Stromversorgung führt. Dies habe „positive Rückkopplungseffekte auf die industrielle Produktion, die Beschäftigung sowie die gesamtwirtschaftliche Entwicklung“.
Die Bundesregierung hatte die Laufzeiten der 17 deutschen Kernkraftwerke Ende vergangenen Jahres um durchschnittlich zwölf Jahre verlängert. Unter dem Eindruck der Reaktorkatastrophe in Japan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel jedoch Mitte März ein Moratorium der Verlängerung angeordnet. In der Branche geht die Befürchtung um, dass die schwarz-gelbe Koalition in weiten Teilen zum Atomausstieg zurückkehren könnte, den die rot-grüne Bundesregierung im Juni 2000 mit der Branche vereinbart und 2002 in Gesetzesform gebracht hatte.
„Mit einem früheren Aus für die Kernkraft löst sich Volksvermögen in Luft auf“, sagte Frondel. Der RWI-Forscher verweist auf die milliardenschweren finanziellen Zugeständnisse, die die Kernkraftwerksbetreiber im Gegenzug für die Laufzeitverlängerung gemacht haben: „Jeder Bundesbürger profitiert von einer Laufzeitverlängerung. Wenn sie zurückgenommen wird, werden die Kernkraftwerksbetreiber wohl kaum noch die Brennelementesteuer zahlen.“ Die Einnahmen stünden für die Schuldentilgung des Staates nicht zur Verfügung. Auch die Zahlungen in den Fonds zur Förderung der erneuerbaren Energien würden entfallen, sagte Frondel.