Streit AKW-Laufzeiten Klage SPD und Grüne sind fest entschlossen, die Pläne der Regierung für längere Laufzeiten von Atommeilern notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall zu bringen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warnten am Wochenende massiv davor, in dieser Frage den – demnächst von der Opposition dominierten – Bundesrat zu umgehen.

Gabriel sagte der „Bild am Sonntag“, selbst CDU-Umweltminister Norbert Röttgen und CDU-Ministerpräsidenten warnten vor einem „Verfassungsbruch“ durch Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP), „die den Bundesrat aushebeln wollen“. Er fügte hinzu: „“Wir würden deshalb dagegen klagen und dem Gericht die eigenen Gutachten der Bundesregierung als Begründung vorlegen.“ Künast sagte der „Wirtschaftswoche“: „Wer versucht, die Länder in dieser Frage auszutricksen, wird uns in Karlsruhe treffen.“

Der SPD-Chef betonte, man werde nicht zulassen, dass die Regierung einen „Kuhhandel mit der Atomwirtschaft“ betreibe. Gabriel: „Alte und störfallanfällige Atommeiler wie Biblis A weiterlaufen zu lassen, nur um im Gegenzug von der Atomwirtschaft Geld durch eine Brennelemente- Steuer zu bekommen, ist ein unverantwortlicher Deal. Das werden wir stoppen.“ Ministerpräsident Beck wandte sich in der „Rheinpfalz am Sonntag“ ebenfalls gegen ein solches „Handelsgeschäft“.

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) bleibt indes bei seiner Ansicht, dass der Bundesrat der Laufzeitverlängerung nicht zustimmen muss. „Das ist meine feste Überzeugung“, sagte er den Dortmunder „Ruhr Nachrichten“. Bundesumweltminister Röttgen betonte im Interview der „Super Illu“, die Atom-Restlaufzeit sollten so kurz wie möglich sein. „Meine Begeisterung gilt der Möglichkeit, auf eine bessere, sicherere Technologie umzusteigen, nämlich die erneuerbaren Energien. Dafür brauchen wir die Kernkraft als Brücke – aber eben nur so lange wir sie benötigen, nicht so lange wie es technisch möglich wäre.“

Schwarz-Gelb kann die Laufzeiten nach einem Gutachten von Ex- Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier für Umweltminister Röttgen nicht ohne Länder-Zustimmung verlängern – darauf hatte im Juni die Deutsche Umwelthilfe hingewiesen. „Ohne eigene Mehrheit im Bundesrat kann es längere Laufzeiten von Atomkraftwerken nicht geben.“ Die Bundesländer haben bisher die Aufsicht über die Atomkraftwerke in ihrem Gebiet. Die Mehrheit von CDU, CSU und FDP in der Länderkammer ginge bei einem für Mittwoch geplanten Regierungswechsel zu Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen verloren.

Auch das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein fährt der Bundesregierung bei ihren Laufzeit-Plänen in die Parade. Das Land hat die Teilnahme an einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufgekündigt, in der beraten wird, wie die Reaktoren bei längeren Laufzeiten nachgerüstet werden sollen. Das Ziel, übergeordnete Anforderungen zu definieren, sei „nicht erreicht worden“, heißt es laut „Spiegel“ in einem Brief aus Kiel. Schleswig-Holsteins Regierungssprecher Knut Peters bestätigte dies am Samstag der Nachrichtenagentur dpa.

Kiel argwöhnt, offenbar genüge es dem Bundesumweltministerium, ältere Reaktoren auf den Stand der jüngeren Anlagen zu bringen. Dagegen hält die Kieler Atomaufsicht umfangreiche Nachrüstungen an alten Anlagen wie etwa Brokdorf für notwendig. Auch Unions- Umweltexperten sprechen sich bei längeren Laufzeiten für eine Einzelfallprüfung aus, statt pauschal für alle Kernkraftwerke längere Laufzeiten zu gewähren.

Die Bundesregierung will nach Angaben Röttgens im Spätsommer eine Entscheidung über die Zukunft der Atomkraft in Deutschland treffen. „Am 28. September werden die Eckpunkte des energiepolitischen Konzepts beschlossen – im Bundeskabinett, unter Führung der Bundeskanzlerin“, sagte der Minister. „Damit wird auch entschieden, für wie viele Jahre wir noch die Kernkraft brauchen werden.“

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