Maikäfer Plage hesse
Der Feind des Maikäfers hat in Südhessen seit Wochenbeginn einen Namen: Jaguar. Über dem Pfungstadter Stadtwald übertönte am Montagnachmittag ein Hubschrauber das Brummen der schwärmenden Maikäfer und ließ über den Forst das unter dem Handelsnamen Jaguar bekannte Insektengift Dimethoat niederregnen. Von dem seit Wochen geplanten Vorhaben, die riesige Population der gefräßigen Käfer chemisch zu dezimieren, ließ sich Pfungstadts Bürgermeister Horst Baier (SPD) am Vormittag auch von einer Abordnung des Naturschutzbunds Deutschland (NABU) nicht abbringen.

Pünktlich am 1. Mai begannen die Käfer, in Südhessen zu krabbeln und auszuschwärmen. Vier Jahre lang hatten sich zuvor ihre Larven, die Engerlinge, durch den Boden gewühlt. Nach Schätzungen des NABU werden 2010 in Südhessen Milliarden von Maikäfern die Eichen- und Buchenwälder befallen. Pfungstadt will vorbeugen, und der alle vier Jahre anschwellenden Käferpopulation frühzeitig Grenzen setzen. Wegen ihres Fortpflanzungsrhythmus wird das nächste massenhafte Auftreten des Maikäfers für 2014 erwartet.

Pfungstadt ist zurzeit Hessens einzige Kommune, die mit einem Insektizid gegen Maikäfer vorgeht. Nach einer Untersuchung der Universität Greifswald ist Dimethoat auch für Menschen gefährlich, akute Vergiftungen sind allerdings die Ausnahme. Einen von der Sprühaktion betroffenen Autobahnabschnitt bei Pfungstadt sperrte die Polizei am Montagnachmittag zeitweilig für den Verkehr. Rot-weiße Bänder hielten Spaziergänger im Stadtwald 48 Stunden lang vom Betreten des Forsts ab. Der Dimethoateinsatz sei wie gesetzlich gefordert beim Regierungspräsidium Gießen angezeigt worden, sagte Petra Wagner vom Pfungstadter Umweltamt am Montag.

Für die organisierten Naturschützer ist der Gifteinsatz eine unvernünftige Aktion. «Maikäfer sind hier heimisch», sagt NABU-Sprecher Helge May. «Auf Dauer gesehen kommt der Wald mit ihnen zurecht.» In Langzeitrhythmen von 30 bis 45 Jahren komme es überdies auf dem Höhepunkt der Vermehrung zu einem Zusammenbruch der Population durch Krankheiten und Parasitenbefall der Maikäfer. Die Sprühaktion könne den Fraßdruck der Engerlinge auf die Baumwurzeln sogar verlängern, da sie der Bestandsentwicklung die Spitze nehme und wie ein erfrischender Aderlass wirke. Auch das Land Hessen verzichtet in seinem Staatswald einstweilen auf einen Insektizideinsatz gegen Maikäfer.

«Außerdem ist ein Wald kein Kartoffelacker», sagt May, «sondern bevölkert von vielen Tier- und Pflanzenarten». Nicht zuletzt sei das Ried südlich von Darmstadt ein wichtiger Lebensraum für seltene Fledermausarten sowie von Vögeln wie dem Ziegenmelker und Baumfalken, die von der Maikäfer-Kraftnahrung profitierten. Eine Fledermaus verschlinge bis zu 40 Käfer täglich, berichtet May. «Die meisten kahlgefressenen Bäume erholen sich wieder und bilden noch im Juni neue Blätter und Triebe.» Problematisch sei in der Tat der Wurzelfraß der Engerlinge, sagt der Naturschutzexperte.

Wo wertvolle Waldflächen betroffen sind, empfiehlt der NABU, auf die «optimale Kombination» natürlicher Bekämpfungsmaßnahmen zu setzen. Zu den bekanntesten Methoden zählt der Einsatz des für Maikäfer tödlichen Pilzes Beauveria brongniartii, der über mit Sexuallockstoffen geimpfte Fallen die männlichen Maikäfer infizieren kann. Das Verfahren schütze alle Waldbewohner vor dem giftigen Dimethoat.

Von den Bewohnern Baden-Württembergs und Hessen abgesehen, haben die meisten Deutschen noch nie einen Maikäfer gesehen. Und trotz des insektizidbeladenen Hubschraubers, der am Montag in Pfungstadt abgehoben hat: In den Wäldern der Oberrheinischen Tiefebene zwischen Basel und Frankfurt werden Spaziergänger die Maikäfer jetzt wieder nicht nur brummend durch die Luft fliegen sehen, sondern sie auch spüren können. Millionenfach wird es aus dem Laub herab leise rieseln. Es sind die kleinen Kotkügelchen der Maikäfer.

[TechFieber Green/mei/ddp] [Photo AxelHartmann/cc ]

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