Was biodynamische Winzer tun, klingt oftmals merkwürdig: Sie pflanzen Reben nach dem Mondkalender und vergraben Kuhhörner mit Mist an einer Weinbergsecke. Eine wachsende Anzahl von Betrieben in Deutschland betreibt die besondere Spielart des ökologischen Weinbaus – selbst Spitzenbetriebe wie der des Präsidenten des Verbandes der Prädikatsweingüter (VDP), Steffen Christmann. «Wir sind keine blauäugigen Träumer», sagt Christmann. Die Biodynamik helfe ihm dabei, gute, ausdrucksstarke Weine zu produzieren.
Der Anthroposophie zufolge enthält der in dem Horn vergrabene Mist nämlich mehr bakteriologische Aktivitäten als gewöhnlicher Mist, was auf die Pflanzen im Weinberg belebend wirken soll. Von dem so gewonnenen Mist werden dann 100 bis 150 Gramm eine Stunde lang in 60 bis 70 Liter lauwarmes Wasser eingerührt und so zu Dünger verarbeitet, «Kuhkiesel» genannt.
Der Hornmist wirke wirklich, beteuert Christmann, der Boden sei tatsächlich lebendiger und fruchtbarer. Auch helfe der Kuhkiesel den Pflanzen in der Reifezeit im Herbst. Homöopathische Dosen von Wirkstoffen reichten aus, der Pflanze die Information zu Wachstum und Reife zu übermitteln.
Die Idee zur biodynamischen Landwirtschaft stammt von dem Esoteriker Rudolf Steiner, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts seine Lehre von der ganzheitlichen, in die kosmische Ordnung eingebetteten Lebensweise des Menschen entwickelte. Steiner, der auch als Begründer der Waldorfpädagogik bekannt ist, entwickelte 1924 die Idee des individuellen landwirtschaftlichen Organismus. Als besonders wichtig sah er die Belebung des Bodens und die Förderung und den Erhalt einer dauerhaften Fruchtbarkeit an – dafür erfand er die neuen Düngemethoden.
2001 begann Spitzenwinzer Christmann mit diesen Methoden zu experimentieren, seit 2004 führt er den ganzen Betrieb biologisch-dynamisch. «Ich glaube nicht an irgendwelche übernatürlichen Kräfte», sagt Christmann. Es gehe ihm darum, im Einklang mit der Natur zu arbeiten und gesunde Pflanzen zu bekommen. Er habe zum Beispiel seine Weinberge nach einem Hagelschlag mit Kamillentee behandelt und festgestellt, dass die Reben drei Tage früher wieder grüne Blätter hatten als die Pflanzen nebenan im gewöhnlichen Bio-Weinbau.
Christmann ist nicht allein mit seinem Vorgehen: 172 Winzer aus 13 Ländern haben sich in der internationalen Vereinigung der biodynamischen Winzer, «La Renaissance des Appellations», zusammengeschlossen. Biodynamik, das sei der Unterschied zwischen einem Telefon mit Schnur und einem Handy, sagt deren Präsident Nicolas Joly, Winzer von der Loire. Die Biodynamik arbeite mit winzigen Mengen und nutze die Kraft des Himmels und der Erde, um die Kraft der Pflanzen zu stimulieren. Im Grunde sei das «Slow Wine», wie es auch «Slow Food» gebe, sagt die bekannte deutsche Sommelière Christina Fischer. Ziel sei der urtümliche, intensive Geschmack wie bei der Freiland-Tomate, auch wenn der beim Wein schwerer herauszuschmecken sei, sagt Fischer.
Und so setzen auch immer mehr Deutsche auf die Biodynamik, wie der rheinhessische Spitzenwinzer Philipp Wittman oder sein Kollege Hansjörg Rebholz vom renommierten gleichnamigen Weingut. «Es ist die logische Konsequenz hin zum individuellen Produkt», sagt Rebholz. Wissenschaftlich beweisen lasse sich vieles nicht, etwa der Mondeinfluss aufs Wachstum. «Normalerweise würde man sagen, die haben einen an der Klatsche», sagte er mit einem Schmunzeln. Doch der Unterschied sei für ihn tatsächlich feststellbar, im Pflanzenwuchs, an den grüneren Blättern, der dickeren Schale der Trauben. Und der Wein sei einfach ein anderer: würziger, mit mehr Kräuteraromen und einer höheren Mineralität.
Von allen Methoden der Biodynamik ist Winzer Christmann freilich nicht überzeugt. Es sei bestimmt auch «das eine oder andere Käse, was wir machen – aber es schadet ja nicht.»
tf/grenn/ddp/ Foto: Bio-Weinbauer Jochen Beurer aus Stetten im Remstal
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